Die Beurteilung und Priorisierung von Projekten und Vorhaben ist eine grosse Herausforderung. Unter dem Stichwort der Digitalisierung könnte eine Unmenge von Themen aufgegriffen und forciert werden. Bei grundsätzlich immer beschränkten Ressourcen und finanziellen Mitteln ist eine Prioritätensetzung unumgänglich.
Ein möglicher Indikator zur Priorisierung ist die technologische Sicht. Es bestehen diverse Modelle zur Beurteilung des Reifegrades und damit auch der Handlungsfelder im Kontext der Digitalisierung. Eines der wichtigsten Modelle, welches auch immer wieder als Ausschreibungskriterium für klinische Systeme angetroffen wird, ist das EMRAM von HIMSS[1]. Das Modell wird laufend weiterentwickelt, um mit den technologischen Fortschritten Schritt zu halten. Das Modell strebt vereinfacht gesagt nach der papierlosen Klinik, nach einem standardisierten Datenaustausch und damit elektronisch unterstützte, geschlossene Abläufe. Im Weiteren werden auch (Daten-) Sicherheitsaspekten Rechnung getragen.
EMRAM fokussiert auf technologische Aspekte
Was bei EMRAM zum Teil fehlt und grundsätzlich in der technologischen Sichtweise zu kurz kommt, sind zwei wesentliche Punkte:
- Digitale Lösungen bedeuten nicht immer einen Effizienzgewinn. Digitale Lösungen können oft zu Transparenz und einfacherem Zugang zu behandlungsrelevanten Daten führen. Die Systeme müssen aber leider noch zu oft händisch durch Ärzteschaften und Pflege gefüttert werden, wodurch Zeit am Computer verloren geht, welche eigentlich produktiver nutzbar sein sollte.
- Digitale Lösungen bedeuten nicht immer einen Mehrwert für die Patienten. Die Frage «Was hat der Patient davon» ist nicht immer direkt beantwortbar.
Ein weiterer Indikator ist die prozessuale Sichtweise. Derart betrachtete Digitalisierungsmassnahmen zielen in der Regel auf bessere Unterstützung der Leistungserbringer. Kriterien beispielsweise aus dem Lean Management unterstützen dabei, Handlungsfelder aufzudecken.
Monolithen als Lösung?
Aufgrund der hohen Spezialisierung im Gesundheitswesen, können Fachapplikationen in Teilbereichen oft besser unterstützen als grössere Gesamtlösungen wie Klinikinformationssysteme. Umgekehrt führen die Fachapplikationen zu einer deutlich höheren Vielfalt an Systemen und damit Komplexität aus technologischer Sicht. Herausforderung ist, die richtige Balance zwischen Monolithenlösungen und einem «Best of Breed»-Ansatz zu finden.
Eine weitere Herausforderung ist, dass oft mehrere Fachbereiche parallel Anforderungen an Upgrades oder Ersatz von Systemen stellen. Die Abwägung, ob Abteilung A versus B Priorität erhält, kann nicht immer abschliessend rational geklärt werden.
Wertschöpfung als Priorisierungskriterium
Um diese Herausforderungen zu bündeln, wird im agilen Umfeld mit Wertströmen («Value Streams») gearbeitet. Für das Spital bedeutet dies, dass die Patientenflüsse kategorisiert und bezüglich Wertschöpfungspotential, bezogen auf die Strategie des Hauses, zu gewichten sind. Entsprechend dem Potential, können den Wertströmen Budgets zugewiesen werden. Mit der konsequenten Ausrichtung nach der Wertschöpfung werden nur technologisch getriebene Investitionen verfolgt, die auch für Patienten und bezogen auf die Effizienz einen Gewinn mit sich bringen. Umgekehrt ist innerhalb des Wertstroms auszuhandeln, welche Teilbereiche welchen Beitrag leisten und damit in Ihren Bedürfnissen bevorzugt werden können, oder ob alternativ eine gemeinsame Lösung in Betracht gezogen werden soll.
Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie
Für die Praxis bedeutet dies, dass sich die Digitalisierung in den Wertströmen voll und ganz auf die Unternehmensstrategie ausrichten soll. Die Prioritätensetzung soll entlang der Wertgenerierung ausgehandelt werden. Die Wertströme begrenzen sich dabei nicht auf die Betriebsgrenzen, sondern sollten auch Zuweiser und Patienten bereits vor dem dokumentierten Kontakt miteinschliessen und über den Abschluss der Behandlung begleiten.
[1] Electronic Medical Record Adoption Model, https://www.himssanalytics.org/europe/electronic-medical-record-adoption-model