Die Keller Unternehmensberatung durfte im Herbst 2023 im Auftrag der Kommission für Gesundheit und Soziales (KGS) des Grossen Rats des Kantons Graubünden die Höhe der Beiträge des Kantons und der Gemeinden für gemeinwirtschaftliche Leistungen an die öffentlichen Spitäler auf ihre Angemessenheit prüfen. Dabei waren konkrete Fragen zu beantworten sowie die Transparenz, Fairness und die Vergütung, auch im Vergleich zu vergleichbaren Kantonen, auf deren Angemessenheit zu beurteilen.
Die zu beantwortenden Fragen hatten einerseits einen betriebswirtschaftlichen Fokus. Dabei interessierten Themen wie die Offenlegung der GWL-Entschädigungen in den einzelnen Kostenrechnungen und deren Höhe im Verhältnis zum Gesamtaufwand der einzelnen Spitäler. Ebenfalls zentral war die Frage, ob ungedeckte, mittels GWL-Entschädigungen finanzierte Kosten, aus einer unwirtschaftlichen Betriebsführung herrühren könnten. Weitere Fragen zielten auf die Ausgestaltung einzelner GWL und wie die Inhalte dieser gegenüber anderen Kantonen definiert sind ab. Im interkantonalen Vergleich war auch von Interesse, ob sich die Gesamtentschädigungen für die GWL monetär in einem vergleichbaren Rahmen bewegen. Die Analyse wurde einerseits auf Basis der eigenen Expertise der Keller Unternehmensberatung AG sowie unter Miteinbezug verschiedener von Dritten publizierten Studien durchgeführt. Die Situationen bei vergleichbaren Kantonen wurden mittels Fragebögen erhoben. Zur Validierung der Gesamtergebnisse beurteilten verschiedene Experten aus dem Gesundheitswesen im Kanton unabhängig voneinander die Ausgestaltung der GWL im Kanton Graubünden.
Ausgestaltung der GWL im Kanton Graubünden und im interkantonalen Vergleich
Die analysierten GWL Beiträge des Kantons Graubünden konnten grundsätzlich drei Entschädigungsbereichen zuordnet werden:
• Beiträge an den Notfall und Krankentransport (Rettungswesen/Notruf)
• Beiträge an die universitäre Lehre und Forschung
• Beiträge an gemeinwirtschaftliche Leistungen, bestehend beispielsweise aus Entschädigungen für kantonsspezifische Vorhalteleistungen infolge Auslastungsschwankungen und für den 24h-Dienst/ -Notfall. Verschiedene weitere Leistungsbereiche, mit teilweise leistungsbezogenen, defizitorien – tierten oder pauschalen Entschädigungen fallen ebenso unter diese Rubrik.
Interview mit Dr. Rudolf Leuthold, Leiter Gesundheitsamt Graubünden
Herr Leuthold, der Auftrag für diese Analyse resultierte aus einem Auftrag der Kommission für Gesundheit und Soziales (KGS) des Grossen Rates. Welche Themen zu den GWL beschäftigen den Kanton aktuell am stärksten?
Die finanzielle Situation zahlreicher Spitäler im Kanton ist sehr angespannt. Der Ruf nach deutlich mehr GWL wird deshalb lauter. Eine Anpassung der GWL sollte aber erst nach einer politischen Diskussion über die zukünftige Gesundheitsversorgung in Graubünden erfolgen, um Fehlinvestitionen zu verhindern.
Die Analyse zeigt auf, dass GWL nicht in allen Kantonen gleich, bzw. zum Teil stark unterschiedlich definiert sind. Wo sehen Sie den grössten Handlungsbedarf und aus welchem Grund?
Die Regelungen im KVG zur Spitalfinanzierung und im Besonderen zu den GWL weisen einen grossen Interpretationsspielraum auf. Um zukünftig die GWL schweizweit einheitlicher zu gestalten sind klarere Vorgaben im KVG zwingend.
Die GWL werden derzeit vollumfänglich durch die einzelnen Kantone und damit die Steuerzahler finanziert. Gibt es Bereiche aus den GWL, wo Sie eine anderweitige Finanzierung als sinnvoller erachten und wenn ja, weshalb und worüber sollten diese GWL neu finanziert werden?
Das System der GWL wurde so im KVG statuiert. Man kann sich durchaus die Frage stellen, ob bestimmte Vorhalteleistungen der Spitäler – wie zum Beispiel der Notfalldienst – nicht doch über die Tarife finanziert werden sollten.
Vielen Dank für das Gespräch.
In den Beiträgen mitberücksichtigt ist eine Eigenfinanzierung durch die Spitäler, die aus den Einnahmen für die Behandlung von Halbprivat- und Privatpatienten je Spital individuelle GWL-Abzüge ermittelt. Dahinter steht die Absicht, dass einkommensstärkere gegenüber einkommensschwächeren Spitälern nicht übervorteilt werden. Aus dieser GWL resultiert eine Zweckentfremdung. Um die Spitäler vor grösseren jährlichen Schwankungen der GWL-Entschädigung zu schützen, besteht zudem eine Limitierung der Veränderung der jährlichen Gesamtentschädigung gegenüber Vorjahr. Die Ermittlung der einzelnen Entschädigungsbeträge erfolgt auf verschiedene Arten, wobei gewisse Leistungsbereiche mit konkreten Beträgen je Einzelleistung entschädigt werden (leistungsorientiert), während für andere Pauschalbeträge definiert sind. Ebenso bestehen Entschädigungsbereiche, deren Höhe aufgrund von in vergangenen Jahren erwirtschafteten Defiziten ermittelt werden. Dabei werden sowohl einzelne wie auch summierte Defizite von definierten Spitalgruppen und zum Teil nur gewisse Anteile der Defizite für die Entschädigung berücksichtigt. Im interkantonalen Vergleich wurden in den Bereichen Universitäre Lehre und Forschung sowie im Rettungswesen und 24h-Dienst/-Notfall die höchsten Übereinstimmungen festgestellt. In den anderen insbesondere regionalpolitisch definierten GWL-Bereichen besteht hingegen eine sehr hohe Heterogenität zwischen den Kantonen, sowohl inhaltlich als auch in der Entschädigungsberechnung. Auffällig im interkantonalen Bereich ist, dass bis anhin im Kanton Graubünden der ambulante Bereich über die GWL nicht explizit entschädigt wurde, was so in den Vergleichskantonen nicht in vergleichbarer Ausprägung festzustellen war.
Wesentliche Erkenntnisse
Die GWL werden von den Spitälern in den Kostenrechnungen transparent und nachvollziehbar ausgewiesen. Dass eine unwirtschaftliche Betriebsführung grundsätzlich zu unfairer GWL-Verteilung führen könnte, konnte ausgeschlossen werden. Bei der Beurteilung der Berechnung der GWL weisen die pauschal definierten Beiträge die schwächste Position aus, da deren Herleitung nicht gegeben oder teilweise veraltet ist und Anpassungen nach oben oder unten aufgrund fehlender Grundlagen schwer herzuleiten sind. Die Beiträge auf Basis von Defiziten finanzieren dort, wo das Geld benötigt wird, tragen aber nicht zwingend dazu bei, dass im Sinne der Fairness jene Klinik finanzielle Unterstützung erhält, welche bei Anwendung des gleichen Produktivitätsmasses je Spital den grösseren Anspruch hätte. Aus dieser Beurteilung ging klar als Empfehlung hervor, dass ein Shift in Richtung leistungsorientierterer Gestaltung erfolgen soll, da hier ein direkter Bezug zur Leistung hergestellt werden kann und dies auch im Sinne der Fairness ein Schritt zur Verbesserung darstellt. Im Bereich von Vorhalteleistungen wird die leistungsabhängige Bemessung schwierig, so dass Modelle auf Basis von Defizitdeckungen nicht gänzlich mit leistungsabhängigen Modellen ersetzt werden können. Die Beurteilung der GWL-Entschädigung an sich ergab, dass die Entschädigungshöhe im Kanton Graubünden in Summe gegenüber den verglichenen Kantonen eher überdurchschnittlich ist. Hingegen hat sich auf Basis einer in die Analyse ebenso miteinbezogenen Studie von Dritten ergeben, dass der Kanton Graubünden schweizweit im Mittel der Entschädigungen liegt. Folglich liegen die verglichenen Kantone eher unter dem schweizweiten Durchschnitt.
Weitergehende Feststellungen und Ausblick
Die Analyse hat gezeigt, dass die Kantone gemeinwirtschaftliche Leistungen unterschiedlich definieren und ausgestalten. Während in einem Kanton eine Entschädigung über die GWL finanziert wird, erfolgt die Finanzierung einer vergleichbaren Leistung in einem anderen Kanton z. B. über ein gesprochenes Projektbudget oder eine Subvention. Letzten Endes ist die Finanzierungsquelle zum Ausgleich von ungedeckten Kosten für die Spitäler irrelevant. Das finale Ziel der Spitäler ist primär die Deckung aller Kosten. Wenn die Tarife dazu bei wirtschaftlicher Arbeitsweise nicht ausreichend sind und die Leistungen aber von Dritten gefordert werden, sind ergänzende Beiträge, idealerweise leistungsbezogen, in Form von GWL mit zunehmender Bedeutung für die Betriebe. Umgekehrt können Kantone mit leistungs – abhängigen Beiträgen die Mittel bedarfsgerecht einsetzen.